Mit Kunst die Resilienzkräfte stärken
von Mathias Forster, Christopher Schümann & Johannes Stüttgen
Bei der Gründung der Bio-Stiftung 1987 wurde der Schweizer Künstler Werner Andreas Petraschke vom Gründer Dr. Rainer Bächi gebeten, ein Bild zur Stiftungsgründung zu malen. Von diesem Bild wurden hochwertige Kopien auf die Bio-Zertifikate der zumeist in Entwicklungsländern liegenden Landwirtschaftsbetriebe gedruckt. Diese Bauern konnten durch das Engagement der Bio-Stiftung bio-zertifiziert werden und erhielten so Zugang zu den Märkten in Europa und Nordamerika.
Die Kunst ist also seit der Gründung der Bio-Stiftung als wichtiges Element mit dabei. Sie sollte aber auch auf die Höfe kommen und Bäuerinnen und Bauern bei ihrer Arbeit inspirieren. Und zwar unabhängig von deren finanziellen Möglichkeiten. Das war die Idee von Rainer Bächi, die er auch in die Tat umsetzte.
Kunst kann inspirieren, weil sie nie mit dem Gewordenen zufrieden ist. Der Künstler oder die Künstlerin nehmen das Gegebene und bringen es in eine andere, in eine neue Form und auch in einen anderen, in einen neuen Sinnzusammenhang, in eine Ganzheit und Stimmigkeit hinein. Es ist ein ewiges Finden von neuen Ideen, neuen Formen und Beziehungen, neuen Qualitäten und Bewusstseinszuständen. Kunst fordert die schöpferischen Kräfte des Menschen heraus, befriedigt sie auch und ist gleichzeitig von ihnen abhängig. Denn die Kunst wäre nicht da ohne die Fantasie des Menschen.
Für viele Menschen ist die Kunst ein «nice to have». Für uns ist Kunst mehr, viel mehr. Wir verstehen uns selber auch als Künstler im Sinne des erweiterten Kunstbegriffs von Joseph Beuys, der ja bekanntlich äusserte, dass jeder Mensch ein Künstler ist. An diesem Punkt hat die Kunst selber einen Entwicklungsschritt getan, hinaus aus den klassischen Disziplinen wie Malerei, Musik, Architektur, Tanz und so weiter, hinein ins soziale Feld, in dem wir alle miteinander verbunden sind. So prägte Joseph Beuys, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 100. mal jährt, auch den Begriff der Sozialen Plastik. Er schärfte das Bewusstsein dafür, die soziale Sphäre als einen «Rohstoff» zu betrachten, den es gemeinsam zu bearbeiten gilt, damit das Kunstwerk des guten Zusammenlebens für alles, was lebt, in die Wirklichkeit gebracht werden kann. Und die Kunst ist damit auch in die Verantwortung von jedem einzelnen Menschen gelegt worden.
Wir verstehen uns also in diesem Sinne auch als Künstler, denn auch wir arbeiten im sozialen Feld, aber auch an und mit den Realitäten, dem Gegebenen und bringen dieses mit Idealischem zusammen. In dieser Begegnung entsteht Neues. Und wir brauchen jeden Tag unser kreatives schöpferisches Potenzial, um an den aktuellen Entwicklungen in der konventionellen Landwirtschaft, aber auch in Bezug auf den Zustand unseres Planeten nicht zu verzweifeln. Wir arbeiten geistesgegenwärtig mit der Spannung zwischen Realität und Ideal und erleben das als einen künstlerischen Akt.
Für uns wäre die Menschheit ohne die Kunst verloren, weil wir vergessen würden, dass wir Fantasie, schöpferische Kraft haben, weil wir vergessen würden, dass wir uns mit dem, was ist, nicht zufrieden geben können, dürfen und müssen. Das wäre der Tod der Kultur und der menschlichen Entwicklung. Diesen Tod gibt es schon, er ist spürbar. Aber wir wollen daran arbeiten, ihn zu überwinden. Kunst ist also von essenzieller Bedeutung und systemrelevant.
Die Erde ist gross, Menschen gibt es viele, und damit unzählige Gelegenheiten kreativ und schöpferisch tätig zu werden …
Für den Künstler Joseph Beuys war jeder Mensch Teil einer riesigen, die Erde umspannenden sozialen Plastik, aus der er nicht heraustreten kann, auch dann nicht, wenn er seinen Lebensraum, wie es Elon Musk vorschwebt, auf mehrere andere Planeten ausdehnen würde. Was auch immer wir Menschen tun, oder auch nicht tun, es hinterlässt Spuren, die schön oder auch hässlich sein können. Ein Blick in die Landwirtschaftsentwicklung der letzten Jahrzehnte bringt auch viel Hässliches ans Licht. Böden, die nicht mehr belebt sind und sich durch falsche Behandlung langsam in Wüsten verwandeln. Überzüchtete Tiere in übervollen Ställen, die nur noch mit vorbeugenden Antibiotikagaben überleben. Antibiotikaresistente Keime, die aus solchen Verhältnissen hervorgehen und die öffentliche Gesundheit bedrohen wie kaum etwas anderes. Todeszonen in Weltmeeren, usw…
Kunst ist uns wichtig und sie wird uns immer wichtiger. In ihr liegt eine aufbauende Kraft, weil sie aus dem tieferen Wesen des Menschen hervorgeht und dieses gleichzeitig erfrischt und verjüngt. Wir schätzen die inspirierende und auch die heilende Wirkung, die von ihr ausgehen kann, und als Künstler suchen wir auch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, wo es in unsere Arbeit passt und Sinn macht, also zu einer Potenzierung der Wirksamkeit unserer Aufgaben und Zielsetzungen führt.