Von Daniel Aenishänslin | BAZ
Die Idylle trügt. Zumindest wenn man die Welt sieht wie Mathias Forster (48), Geschäftsführer der Bio Stiftung Schweiz in Arlesheim. Ein paar Rehe äsen am Waldrand. Kühe liegen zufrieden im saftigen Gras. Im Tiefental oberhalb Dornach ist die Welt noch in Ordnung. Doch der Umtriebige warnt: «Der Kollaps der Biodiversität, die Unfruchtbarkeit der Böden und kontaminierte Gewässer gefährden das Leben und unsere Gesundheit.»
Nicht überall ist Tiefental. Forster steht vor einem Bio-Bauernhof, wie er ihm gefällt. Den Ort für das Treffen hat er gewählt. Auf den ersten Blick sieht man ihm den Kämpfer nicht an. Aber er hat sich nichts weniger vorgenommen, als alles in die Waagschale zu werfen. Für die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide». Unbedingt.
Eine Zukunft ohne Gifte
Gemeinsam mit Christopher Schümann hat er ein Buch herausgegeben, das es in sich hat: «Das Gift und wir». Die gesammelten Argumente gegen eine Landwirtschaft, die auf synthetische Pestizide baut. Alles zwischen zwei Buchdeckeln. Viele Texte wurden von «führenden Köpfen» aus der Wissenschaft verfasst. «Solange man sich kein grösseres Bild verschaffen kann, ist man nicht wirklich urteilsfähig», sagt Forster. «Das Gift und wir» soll das erste umfassende Buch zur Problematik, Geschichte, aber auch zu einer Zukunft ohne solche Gifte sein.
Die Natur liebte Mathias Forster schon immer. Er wuchs mit vielen Haustieren auf und mit der Gewissheit, einst selbst Bauer zu werden. Schliesslich wurde er Kaufmann, die Landwirtschaft verlor er aber trotzdem nie aus den Augen. Forster kritisiert ins besondere «die mangelnde Bereitschaft, Kritik am agrarpolitischen Ist Zustand entgegenzunehmen und über Reformen sachlich zu diskutieren». Die Verantwortung für diese Stagnation trügen vor allem Politik und Bauernverband sowie das starke Lobbying der Agrochemieindustrie im Hintergrund. Das Volk würde eine ökologischere und marktwirtschaftlichere Landwirtschaft unterstützen. «All die entstandenen Volksbegehren sind Zeichen eines Unmuts in der Bevölkerung gegenüber einer seit Jahrzehnten verkrusteten Agrarpolitik.»
Gegner der Initiative befürchten, ohne Zuhilfenahme synthetischer Pestizide würden einige Produkte richtig teuer. «Der Bio-Preis ist der ehrliche Preis», entgegnet Forster. Sobald Bioprodukte konsequent gefördert, die Forschung auf Bio Landbau aus gerichtet würde, sänken die Preise. Das grösste Sparpotenzial ortet Forster in der Vermeidung von Food Waste: «Bis zu 40 Prozent der Lebensmittel landen im Müll. Wir könnten uns also 40 Prozent teureres Essen leisten, würden wir nichts wegwerfen.» Bioprodukte seien nicht zu teuer, konventionell erzeugte seien zu billig. Die Produktionsweise von Billigprodukten führe zu Folgekosten, welche die Allgemeinheit trage. «Konzerne wie Fenaco, Syngenta oder Bayer», so Forster, «verdienen so gut, weil sie die Risiken ihres Handelns nicht selber tragen.»
Gejätet wird von Hand
Forster sagt das alles in ruhigem Ton. Für jeden Widerspruch hält er eine Erklärung bereit. Zum Beispiel für den Umstand, dass eine Landwirtschaft ohne synthetische Pestizide keine Hexerei wäre, viele Landwirte davon aber nichts wissen wollten. «Sie haben es so gelernt», sagt Forster, «die Gifthersteller machen ihnen Angst und behaupten, ohne Pestizide könne in der Schweiz kein Obst und Gemüse mehr hergestellt werden.»
Forster wünscht sich Anreize. Er frage sich, weshalb Landbesitz oder -nutzung mit Steuermilliarden belohnt werden sollten, ohne dass verantwortungsvoll bewirtschaftet werde. «Die Politik soll nur noch Ökosystemleistungen subventionieren, denn Böden, Wasser und Luft sind existenzielle, nicht vermehrbare
Gemeingüter.»
Vor den Pestiziden gebe es kaum ein Entrinnen. «Im Himalaya, in der Antarktis, auf den Gletschern, in der Muttermilch, im Trinkwasser» seien sie, «leider auch in der Luft, sodass wir diese Stoffe über die Lunge direkt ins Blut bringen». Nur eine Landwirtschaft ohne synthetische Pestizide könne dauerhaft gesunde, aromatische Lebensmittel und gleichzeitig stabile Erträge liefern. Der Umweltaktivist jubelt, wenn er an die Annahme der Initiative denkt: «Sie würde die Antipestizidbewegungen weltweit stärken.»
Im Garten von Mathias Forster geht es ähnlich idyllisch zu wie im Tiefental. Keine Gifte. Gejätet wird von Hand. Dass die Fauna von seiner Flora nascht, gehe in Ordnung. «Manche Fenchel überlasse ich jeweils ganz den Schwalbenschwänzen und ihren Nachkommen.»